Noch ist Winterpause – Mitte März geht es mit der Saison 2020 los. Die Wartezeit bis dahin möchten wir euch mit einer Kolumne von Alexander Kraß verkürzen, in der es um die Geschichte des „alten“ Nürburgrings geht, also vom Bau der Strecke bis zur Eröffnung der Grand-Prix-Strecke im Jahr 1984. Jede Woche Donnerstag wird eine neue Epoche behandelt. Nachdem in der vergangenen Woche der Nürburgring und der Motorsport vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg Thema waren, geht es heute mit der Kolumne „Fünf Wochen – fünf Epochen“ in die „goldene Zeit“ des Motorsports in den 1950ern und 1960erm.
Teil 2 verpasst? Hier kannst Du alles nachlesen!
Fünf Wochen, fünf Epochen: kleine Geschichte des „alten“ Nürburgrings von Alexander Kraß
Epoche 3: die goldene Zeit des Motorsports, legendäre und tragische Rennen sowie erste Sicherheitsdiskussionen
Kurzer Rückgriff auf die vergangene Woche: Über insgesamt drei Jahre wurden die Kriegsschäden am Nürburgring beseitigt, ab 1949 konnte wieder Motorsport auf der Gesamtstrecke stattfinden und im Jahr 1952 konnte der Nürburgring mit positivem Blick in die Zukunft sein 25. Jubiläum feiern.
Kommen wir also zur dritten Epoche, einer Zeit, die gerne als die „Goldene Zeit des Motorsports“ bezeichnet wird. Neue Veranstaltungen, neue große Namen, neue Teams – viele der heute als legendär angesehenen Rennen fanden in den 1950ern und 1960ern statt. In der heutigen Ausgabe von „Fünf Wochen – fünf Epochen“ werden wir uns ausgewählten Fahrern, Teams und Rennen aus dieser Zeit widmen. Doch zuvor ein kurzer Blick auf bauliche Veränderungen am Nürburgring zu Beginn der 1950er.
Die Gesamtstrecke des Nürburgrings war also seit 1949 wieder voll funktionsfähig, darauf aufbauend wurden die Anlagen an Start und Ziel durch einige Gebäude ergänzt. Los ging es mit der Erweiterung des Start- und Zielhauses sowie der „ersten Ausgabe“ des Conti-Turms am Ende der Boxengasse. Ebenfalls hinzu kamen eine zweite überdachte Tribüne, eine neue Reihe an Boxen sowie der berühmte Dunlop-Turm. Dieser wurde am Start- und Zielplatz ziemlich prominent positioniert, lag er doch, gesehen von der Haupttribüne, in Blickrichtung der Burg. Somit ist er auf vielen Fotos der damaligen Zeit zu sehen und prägte für lange Zeit das Bild des Nürburgrings. Bezüglich der Strecke an sich galt noch die von vor dem Krieg bekannte Idylle: Die Rennstraße führte quer durch die Eifel, lediglich begrenzt von Hecken, ohne Leitplanken und Zäune. Die Zuschauer saßen auf den Wiesen, Feldern und an den Waldrändern und verfolgten beim Picknick die oft mehrstündigen Rennen. Und diese Rennen boten richtig großartigen Motorsport der großen Namen der damaligen Zeit.
Fangen wir dabei direkt mal mit einer neuen Veranstaltung an, die 1953 zum ersten Mal stattfand: Das 1000-km-Rennen. In Anlehnung an die großen Langstreckenrennen überall in der Welt wollten auch die Verantwortlichen des Nürburgrings ein solches in der Eifel etablieren. Und sie taten es: Zwar lag der Zuschauerandrang im ersten Jahr noch hinter den Erwartungen, aber wie so oft brauchen neue Veranstaltungen einfach etwas Zeit, um sich zu etablieren. Zwar waren Rennen vor dem Krieg schon viele Stunden lang, das 1000-Kilometer-Rennen war aber trotzdem eine unerwartet große Herausforderung. Schließlich mussten, um über 1000 Kilometer zu fahren, 44 Runden auf der Nordschleife zurückgelegt werden, was für die beiden Sieger des Jahres 1953, Alberto Ascari und Guiseppe „Nino“ Farina, über acht Stunden Rennkampf bedeutete. An dieser Stelle eine kleine Randnotiz: Neben Guiseppe Farina ist Ihnen sicherlich auch sein Onkel bekannt. Sein Spitzname war „Pinin“ und der Name seiner Firma „Pininfarina“ ziert seit Jahrzehnten eine ganze Reihe an Fahrzeugen, deren Design aus der Feder seines Unternehmens stammt.

Eines der wohl spannendsten Rennen aus dieser Zeit fand am 1. August 1954 mit dem Großen Preis von Europa vor weit über 300.000 Zuschauern statt. Die gesamte Elite des internationalen Motorsports war angereist und darunter befanden sich Größen wie Hermann Lang, Karl Kling, Mike Hawthorn und Juan Manuel Fangio. Das Wochenende startete leider tragisch, da der Argentinier Onofre Marimón während des Trainings im Bereich Wehrseifen ums Leben kam.
Das Rennen selbst gewann Fangio auf einem in meinen Augen wunderschönen Rennwagen, dem damals noch recht neuen Mercedes-Benz W 196. Tatsächlich fuhr Fangio zuerst bei Mercedes und wechselte, nachdem die Stuttgarter unter anderem in Folge des schrecklichen Unglücks in Le Mans 1955 werksseitig aus dem Motorsport ausgestiegen waren, zu Ferrari. Der Mittvierziger schaffte es 1956 auch, den 1939 von Hermann Lang aufgestellten Rundenrekord zu unterbieten. Die Mitte der 1950er Jahre war die große Zeit von Fangio, viele Motorsportexperten bezeichnen ihn noch immer als wohl den besten Fahrer aller Zeiten. Einer seiner großen Rivalen war damals Peter Collins, der allerdings 1958 auf der Nordschleife ums Leben kam.

Auch wenn die Rennstrecke an der Sarthe weit vom Nürburgring entfernt liegt, hatte das Unglück beim 24h-Rennen im Jahr 1955 natürlich auch spürbare Auswirkungen auf die Rennstrecke in der Eifel. Es wurde viel über Sicherheit diskutiert, verschiedene Stellen wurden angepasst, trotzdem wurde die Strecke in der Eifel generell als sicher betrachtet. Auch auf dem Nürburgring war es in den Jahren immer wieder zu Unfällen gekommen und dabei waren auch Fahrer gestorben – gegen ein solch schreckliches Unglück wie in Le Mans, bei dem 84 Menschen ums Leben kamen, sah man sich aber gerüstet. Trotzdem achteten die Verantwortlichen am Nürburgring weiter genau auf das Thema Sicherheit und passte die Strecke über die Jahre immer wieder an die neuen Verhältnisse im Motorsport an.
Ein Einbruch im Motorsport war trotzdem zu spüren, weswegen der Fokus auch auf andre Veranstaltungsarten gelegt wurde. Eine dieser Veranstaltung, die seit Jahrzehnten eine absolute Institution darstellt, hat ihren Ursprung in den späten 1950er Jahren: Die Fahrerlehrgänge der Scuderia Hanseat auf dem Nürburgring. Einer der Instruktoren dieser Fahrerlehrgänge sollte in den Folgejahren das Geschehen auf den Rennstrecken in der ganzen Welt mitbestimmen und den großen Fangio, der 1958 in „Rennfahrer-Rente“ gegangen war, beerben: Wolfgang Graf Berghe von Trips. Sein Name war und ist weltberühmt, sein Leben und seine Karriere waren viel zu kurz. Er war ein absolutes Ausnahmetalent und nachdem er seine ersten Rennen unter anderem Namen gefahren war, stand er ab Ende der 1950er Jahre für großartigen Motorsport. Zwar baute er den ein oder anderen Unfall und fiel auch oft mit technischen Defekten aus, trotzdem zog er mit seinen Fahrkünsten tausende Fans in seinen Bann. Als erster deutscher Sieger eines Grand Prix lockte sein Name in der Starterliste von Jahr zu Jahr mehr Zuschauer an den Nürburgring. Aber auch seine Gegner waren namhaft: Trips fuhr beispielsweise in der Saison 1961 gegen Größen wie Stirling Moss, Dan Gurney, Bruce McLaren, Jack Brabham, Jim Clark und Phil Hill. Beispielsweise gewann Stirling Moss, zusammen mit Dan Gurney, 1960 zum vierten Mal das 1000-km-Rennen gewonnen – Trips auf Ferrari fiel aus.

Mit Phil Hill fuhr Trips gemeinsam für die Scuderia Ferrari, genauer gesagt den 156, der von Vielen auch heute noch als einer der schönsten Rennwagen angesehen wird – zusammen mit den Vorkriegsrennwagen der Auto Union natürlich. So mancher unter Ihnen wird diesen Rennwagen wohl unter der Bezeichnung „Sharknose“ oder „Haifischmaul“ kennen – mittlerweile hat dieser Rennwagen eine wahnsinnig große Fangemeinde und unzählige Bücher wurden darüber geschrieben.
Auch wenn Trips den Großen Preis von Deutschland im Jahr 1961 nur als Zweiter hinter Stirling Moss beenden konnte, war er auf dem Weg zur Weltmeisterschaft. Während des Großen Preises von Italien in Monza kollidierte Trips jedoch mit dem Lotus von Jim Clark. Dies führte zu einem Unglück, bei dem neben Trips selbst auch noch mehr als ein Dutzend Zuschauer starben. Hill, zu der Zeit gleichzeitig Teamkollege und größter Konkurrent, gewann in dieser tragischen Saison die Weltmeisterschaft.

Die Verhältnisse in der Formel 1 hatten sich zu Beginn der 1960er stark in Richtung englischer und amerikanischer Fahrer verschoben. Graham und Phil Hill, Jim Clark, John Surtees, Dan Gurney und weitere waren die dominierenden Fahrer der damaligen Zeit. Ferrari fiel durch verschiedene Umstände während der Saison zurück und nachdem er schon den als „Wasserschlacht“ bekannt gewordenen Großen Preis von Deutschland auf BRM gewonnen hatte, wurde der Brite Graham Hill 1962 Weltmeister.
Vom Grand-Prix-Sport kurz zurück zum Langstreckensport am Nürburgring: Das 1000-km-Rennen hatte sich mittlerweile, nachdem es 1954 nicht durchgeführt wurde und 1955 als 500-km-Rennen gestartet wurde, zu einer Institution im Motorsport und für den Nürburgring zu einem absoluten Publikumsmagneten entwickelt. Mitte der 1960er gehörte es dank des international bekannten Fahrerfeldes und der großen Beteiligung der Werke mit zu den größten Motorsportveranstaltungen. Besonders einprägsam waren laut Aussage damaliger Zuschauer die Menschenmassen, die über Tage bei Lagerfeuerromantik und Zeltlageratmosphäre rund um den Ring ihr Quartier aufschlugen. Zehntausende Menschen rund um den Ring – vor allem am großen Hang im Klostertal, parallel zur Steilstrecke, war fast kein Platz mehr zu finden.
John Surtees konnte im Jahr 1963 diese beiden großen Rennen für sich entscheiden: Er gewann das 1000-km-Rennen und den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Seine Gegner zur damaligen Zeit waren vor allem Jim Clark, Bruce McLaren, Lorenzo Bandini, Jo Siffert und Willy Mairesse. Allesamt Namen, die Motorsportfans auch heute noch bekannt sind!
Nach diesen glorreichen Zeiten des Motorsports setzte eine Diskussion um die Sicherheit auf den Rennstrecken weltweit ein. Kurz gesagt: Die Fahrzeuge wurden immer schneller, viele Rennstrecken konnten mit dieser Entwicklung nicht mithalten. Es kam zu mehr und mehr Unfällen und diese hatten natürlich große Auswirkungen auf die Motorsportwelt, ebenso auf den Nürburgring: Zum ersten Mal seit 1927 wurde 1967 in die Streckenführung der Nordschleife eingegriffen. Darum und um weitere Umbauten soll es in der kommenden Woche beim vierten und vorletzten Teil dieser Kolumne gehen. Bis dahin empfehle ich Ihnen eine knapp neunminütige Dokumentation, die der Nürburgring im vergangenen Jahr hat drehen lassen. Darin berichte unter anderem auch ich über die Sicherheitsdiskussionen, die in etwa Mitte bis Ende der 1960er Jahre begannen und die auf den Nürburgring große Auswirkungen hatten. Wenn Sie möchten, dann schauen Sie sich diesen Film an, quasi als „Vorbereitung für die nächste Stunde“, wie ich jetzt in meinem Hauptberuf als Lehrer sagen würde. Den Film finden Sie hier.
Diese Kolumne dient auch dazu, Ihnen die Wartezeit bis zum Saisonbeginn zu verkürzen. Noch drei Wochen und zwei Tage, dann startet der erste Lauf der Langstreckenmeisterschaft am Nürburgring – das Ende des Wartens kommt näher. Bis nächste Woche!
Natürlich ist diese Kolumne ein stark komprimierter Blick auf die Geschichte des Nürburgrings. Wenn Sie mehr über die Ursprünge der Eifelrennstrecke erfahren möchten, empfehle ich Ihnen einen Blick auf www.vor90jahren.de. Da vertreibe ich mein gleichnamiges Buch – für einen guten Zweck, da der gesamte Erlös dem Kinderhospiz „Balthasar“ in Olpe/Westfalen zu Gute kommt. Mehr Informationen, auch zur Bestellung, gibt es auf der Website.

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