Die VLN Langstreckenmeisterschaft kündigte am 29. November 2019 einige Veränderungen im Reglement an. „Tiefgreifend“ hat die Veranstaltergemeinschaft die Änderungen genannt. Wir berichteten gestern und haben analysiert.

Unter anderem wird es eine noch näher zu definierende Mindeststandzeit beim Boxenstopp geben. Diese Mindeststandzeit wird sich jedoch nicht auf jeden einzelnen Stopp beziehen, sondern die einzelnen Klassen bekommen pro Rennen eine Gesamt-Standzeit welche sich die Teams je nach Taktik und Fahrerbesetzung über die Renndistanz aufteilen können.

Die Teams der kleineren Klassen sehen darin eine Möglichkeit wieder mehr Starter in die VLN zu bekommen und somit auch den Breitensportgedanken zu erhalten.

So erklärt Stephan Epp, Teamchef und Pilot des aufkleben.de Renault Clio und des AVIA racing Clio was dies konkret bedeutet: „Wir starten mit den beiden Renault Clio RS gewöhnlich in der Klasse H2. Bisher war es so, dass gerade beim Clio ein Start mit drei Fahrern wenig Sinn machte, da bei einem vier Stunden Rennen theoretisch ein Boxenstopp mit Tankvorgang und Reifenwechsel genügt um effektiv über die Distanz zu kommen.“ Den Zeitverlust durch einen weiteren Stopp, um auf einen dritten Piloten zu wechseln, mussten wir mühevoll auf der Strecke wieder wett machen oder war oft nicht aufzuholen.“ Der Wuppertaler wird konkreter: „Bisher teilten sich, um Siegchancen zu haben, meist zwei Fahrer die Kosten für das Rennen. Nun lohnt es sich auch die finanzielle Last auf drei zu verteilen. Das kann die Chance erhöhen, dass wir 2020 hoffentlich auch Teams aus der RCN als Klassenkonkurrenten bekommen, für die es sich bisher als zu kostenintensiv darstellte in der VLN zu starten.“

Auch Kevin Wolters, Teamchef von Keeevin Sports and Racing zeigte sich auf unsere Nachfrage hin begeistert von der Regeländerung: „Um ein Fahrzeug bisher finanziell rentabel einzusetzen brauchst du heutzutage in der VLN auch in der VT2-Klasse drei Fahrer. Bisher mussten wir aber, um im Rennwettbewerb bestehen zu können, auch mehr Mechaniker an das Auto schicken – welche auch wieder Geld kosten. Mit der geregelten Gesamtstandzeit können wir nun mit überschaubarem Personalaufwand und mit mehr Ruhe die Stopps abarbeiten. Für den Breitensport sehe ich das als Schritt in die richtige Richtung.“

Keeevin Sports and Racing Renault Megane
Foto: M. Brückner

Gesamtstandzeit als Anreiz für den Breitensport?

Diese Frage stellt sich vielen Motorsportfans sicher als erste. Der nächste Gedanke ist dann, dass die weitere Regelung eher ein Schritt weg vom Breitensport-Gedanken ist, der Wettkampf sollte auf der Rennstrecke entschieden werden nicht mit der Stoppuhr in der Box. Wie die Teamchefs sagen, öffnet dieses Novum jedoch weiteren Teams die Türe in die VLN Langstreckenmeisterschaft.

Da sich diese Pflicht-Standzeit nicht pro Boxenstopp, sondern pro Rennen darstellt, lässt sie sich taktisch aufteilen. Ein Auto mit zwei Fahrern macht dann weiterhin einen einzigen Stopp bei einem vier Stunden Rennen. Dieser Stopp ist dann so lange, wie die Pflichtzeit der Klasse. Ob das Team nun weiterhin viele Mechaniker an das Auto schickt und dann der Fahrer im fertig betankten Auto noch die Zeit absitzt, oder ob weniger helfende Hände zum dadurch länger dauernden Räderwechsel genügen liegt in der Hand des Teams.

Bei drei oder sogar vier Piloten dividiert sich die Pflichtzeit entsprechend und die Stopps werden kürzer, doch lohnt es sich für die Teamchefs nun in mehr Helfer zu investieren. Werden dann noch weitere taktische Aspekte wie Wetterwechsel oder den Vorteil von frischen Reifen nochmals kurz vor Rennende noch in die Diskussion gebracht macht es mehr und mehr Sinn. Natürlich muss ein 2-Piloten Team nicht die gesamte Pflichtzeit auf einem Stopp absitzen. Ein „Restfenster“ eben um taktisch zu reagieren stärkt die Spannung auf der Strecke, kann allerdings auch durch die zusätzliche Durchfahrtszeit der Boxengasse auch kontraproduktiv sein..

AVIA racing Pilot und Eigentümer des Renault Clio RS, Gerrit Holthaus: „Natürlich liegt ein finanzieller Anreiz klar auf der Hand. Ich persönlich sehe auch einen großen sportlichen Ansporn, wenn in den kleineren Klassen mehr Teilnehmer starten. Wir haben mehr Gegner auf der Strecke – was in der VLN direkt auch mehr Punkte in der Meisterschaftswertung bringt. Somit wären Klassen wie die H2 oder die VT2 auch weiterhin eine Möglichkeit außerhalb der V4, Gesamtmeister zu werden. Wir kennen das System der Punktevergabe nach dem Motto „Viel Feind – viel Ehr“, somit finde ich die kommende Regelung als ein gelungener Ansatz.“

AVIA racing Renault Clio RS Stephan Epp Michael Bohrer Gerrit Holthaus
Foto: L. Rodrigues

Faireres Tanken für Alle?

Wie immer wieder im Fahrerlager zu hören war, ist die Durchflussmenge einzelner Zapfsäulen unterschiedlich, was sich im Endeffekt auf die Boxenstoppzeit auswirkte, von 3-5 Sekunden pro Stopp war da die Rede. Zeit die ein Fahrer dann auf der Strecke erst wiederfinden musste. In den V-Klassen, also seriennahen Klassen, haben einige Fahrzeuge auch recht kleine Serientanks mit 60L Fassungsvermögen. Klassengegner mit einem Fahrzeug eines anderen Herstellers konnten vielleicht 80L Sprit mitnehmen, standen dafür entsprechend länger. Ein Gewichtsvorteil in der Spritstrategie kommt somit auch noch ins Spiel, besonders bei „leistungsschwächeren“ kleinen Autos machen sich 20 Kilogramm bemerkbar.

„Unsere Boxenstopps klappten bisher vorbildlich und wir konnten häufig Zeit gegenüber der Konkurrenz durch das Teamwork gut machen. Somit ist eine Pflichtstandzeit auf den ersten Blick nicht besonders vorteilhaft für uns.“ Berichtet Stefan Manheller. Der Teamchef aus Meuspath weiter: „Mit den Turbomotoren in der VT2 waren bei uns schon immer zwei Stopps nötig. Der Tank des BMW ist recht klein. Wie lange dann nächstes Jahr die vorgeschriebene Zeit sein wird, entscheidet die VLN sicherlich weise und wird sich nach den größten Tanks der Klasse orientieren. Wir freuen uns auf jeden Fall darüber, dass sich der Wettbewerb auf die Strecke verlagert und sind für die kommende Saison bestens aufgestellt.“

Manheller Racing VLN 8 2019
Foto: R. Schäfer

Spannend wird das neue Reglement auf jeden Fall, ein Zuwachs der kleineren Klassen wäre wünschenswert und im Sinne der VLN-Fans. Ebenso die angedachten Neuerungen bei der technischen Abnahme und den Formalitäten der Fahrer.

So argumentiert Stephan Epp: „Als Teamchef mit zwei Autos gibt es mir kommende Saison die Möglichkeit, die Arbeit mit dem Team zu priorisieren, statt zur Fahrerbesprechung zu gehen. Wichtig bleibt jedoch immer der Aspekt der Sicherheit – Gelegenheitsfahrern lege ich ans Herz trotzdem immer zum Briefing zu gehen und sich die Anweisungen zu verinnerlichen. Ebenso darf das Miteinander auf der Strecke darunter nicht leiden, dann wäre auch das eine positive Änderung.“

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Dieser Beitrag wurde von verfasst.

Lutz Rodrigues Do Nascimento wurde in den 70er Jahren vom Motorsport-Virus infiziert, sein Onkel war im Porsche-Werk Weissach tätig und nahm ihn damals schon mit zu den Rennfahrzeugen. Seit 2011 ist er regelmäßig am Nürburgring bei der VLN mit der Kamera vor Ort und konnte sich somit ein Netzwerk an Bekanntschaften zu Teams, Fahrern und der Streckensicherung knüpfen. Seit März 2017 ist Lutz Teil der LSR-Freun.de und gilt als unser Draht zu den Teams und Fahrern. Mit Fotos und Stories aus den engsten Kreisen sorgt er immer wieder für staunende Gesichter.
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