Benjamin Leuchter ist Teamchef und Pilot bei Max Kruse Racing. Das Rennteam gründete der Duisburger 2018 zusammen mit Bundesliga-Star Max Kruse und bestreitet inzwischen die dritte NLS-Saison mit den VW Golf GTI TCR auf der Nordschleife. Mit an seiner Seite ist Andy Gülden, beide feierten schon zahlreiche Erfolge in der Tourenwagen-Klasse. 2019 siegte Leuchter in der WTCR im Rahmen des 24h-Rennen gegen die hochkarätige Konkurrenz in der Grünen Hölle. Die WTCR erfreut sich bis heute einer großen Fangemeinde und einem stark besetzten Fahrerfeld internationaler Größen.

Trotz einer breiten Fahrzeugpalette von vielen Herstellern wie Hyundai, Opel, VW, Honda, Audi oder Seat/Cupra kam der erwünschte Boom in der Langstrecke auf dem Nürburgring seit der Einführung nie richtig in Fahrt. Die Eigenheiten der Nordschleife harmonierten offensichtlich nicht mit dem technischen Reglement und den vorgeschriebenen Reifen. Viele Teams wechselten spätestens 2020 in die SP3T Klasse, in der es freie Reifenwahl und deutlich mehr Spielraum in der Ausstattung und im Setup gibt, um den Boliden an die harten Bedingungen anzupassen. Das Resultat war jedoch ernüchternd da teilweise nur noch zwei Autos in der TCR Klasse starteten und auch die SP3T eher dünn besetzt war. Kaum Wettbewerb auf der Strecke und noch weniger Punkte in der Meisterschaft scheinen einen Teufelskreis zu bilden.
Schon nach Saisonende 2019 erkannte der damals frisch gekürte TCR-Meister Matthias Wasel die Problematik und sagte im Interview mit LSR-Freun.de:

„Wir hatten eine lange Zeit mit der SP3T eine mit 8-10 Autos große und tolle Klasse in der VLN, bis zur parallelen Einführung der TCR Klasse – mit den erwähnten engen Regeln. Dann auch zurzeit mit so wenigen Gegnern, diese sind dann aber gleich mit bekannten Namen wie Preisig, Gülden und Leuchter so stark besetzt, dass du da fast keine Chance hast. Das wird, mit der freien Reifenwahl und flexiblerem Setup, auch ein Grund sein, warum viele Teams zwischenzeitlich wieder in die SP3T zurück gingen.“
Wasel regte damals schon an: „Beide Klassen nebeneinander sind für die Punkte der Gesamtmeisterschaft trotzdem irrelevant, daher wäre eine Lösung beide irgendwie zusammen zu führen eine richtige. Ansonsten geht gegenüber mehr 20 Startern in der V4 beispielsweise, nicht viel. Hier könnte auch, so als Anregung, eine Profi- und Amateurwertung wie in den oberen Klassen eingeführt werden.“

Die Vorteile der SP3T waren auch der Auslöser für Max Kruse Racing in diese Klasse zu wechseln, spätestens seit der Zusammenarbeit ab 2021 mit Falken Tyres, dem Pneu-Hersteller aus Japan, wäre der Schritt nötig gewesen. Der Duisburger erklärt: „2017 wurde ich mit Andy noch Meister in der TCR. Bereits im Folgejahr wechselten einige Teams in die SP3T und in unserem Debüt-Jahr als Team Max Kruse Racing 2019 waren wir mit mathilda racing und Møller Bil Motorsport quasi allein in der Tourenwagenklasse. So entschieden wir uns 2020 auch zum Wechsel, auch um mit unserem Fahrwerkspartnern Eibach und Bilstein mehr Freiraum zu haben. Diese Saison kam Falken als weiterer starker Partner dazu und so werden wir auch weiterhin nicht in die TCR zurückkehren, wir könnten es so auch gar nicht mehr.“

Seit 2021 besagt das NLS-Reglement, dass neue TCR-Fahrzeuge nur noch in der Tourenwagenklasse starten dürfen. Den Sprung in die SP3T können nur Autos machen, welche vorher schon mindestens einmal dort genannt waren. Max Kruse Racing fährt mit dem VW Golf GTI TCR mit dem Entwicklungsstand von 2018 und hat daher noch „freie Wahl“. Wobei ein Wechsel zurück in die TCR nur schwer möglich ist. Dazu führt Leuchter aus: „Das TCR Reglement lässt keine Revisionen am Motor oder Getriebe zu, die Teile sind verplombt und daher nur komplett zu tauschen. Das verursacht gleich immens hohe Kosten, selbst wenn nur kleine Reparaturen anstehen würden. Die Plomben haben wir in der Specials-Klasse nicht und das macht es allen Teams einfacher und vor allem günstiger, das Auto in Schuss zu halten. Darum wechselten kleinere Teams in die SP3T oder blieben der NLS fern, um im TCR-Reglement zu bleiben.“
Der 33-jährige spricht sich nun für eine nötige Reform der Klassen aus, um die TCR- Fahrzeuge wieder attraktiv für Teams und Piloten zu machen, denn die schnellen Fronttriebler garantieren spannende und actionreiche Positionskämpfe in der Nürburgring Langstrecken-Serie.

Leuchter erklärt: „Wenn wir die Saison 2021 mal genauer betrachten, ist es doch sehr konfus und selbst für Insider kaum noch zu verstehen. Wie sollen wir das einem potenziellen Sponsoren noch erklären, dass im Prinzip identische Autos in drei Kategorien – teilweise noch in unterschiedlichen Startgruppen – in der NLS starten und dann doch keine direkten Gegner in der Wertung sind. Da blicken die Fans dann noch weniger durch und das ist sicher nicht Sinn der Sache. Auch als Fahrer ist es seltsam, wenn Du einen schönen Zweikampf über viele Runden mit einem TCR Auto führst und jeder eigentlich doch für sich ein Rennen fährt.“
Wir haben uns mit Benny zusammen die Starterlisten der diesjährigen Saison angeschaut. Bei NLS 2 waren in der SP3T vier Autos genannt, allesamt TCR-Modelle. Die VLN Klasse TCR war mit fünf Fahrzeugen besetzt davon vier als Am und nur ein Auto als Pro. Zusammen wären es neun Boliden.
Ein ähnliches Bild dann bei NLS3 mit erneut vier Autos in der SP3T, davon ein Porsche Cayman GT4 und drei Tourenwagen. Die TCR mit sechs Nennungen verteilt auf vier Am und zwei Pro. In der Addition wären es 10 in einer Klasse.
Nach dem 24h-Rennen wurde es noch dünner, beim vierten Lauf traten noch je zwei Wagen in der SP3T und in der TCR Am an. Wer ins Ziel kam wurde mit mindestens dem Silberpokal belohnt.
Zum Double-Header fanden sich sieben Nennungen in der SP3T, davon wieder fast nur Tourenwagen-Modelle. Drei Am-Autos standen in der TCR-Klasse demgegenüber. Der Sonntags-Lauf sollte mit sechs SP3T und zwei TCR-Am Nennungen ausgetragen werden, ausfallbedingt waren es noch weniger Fahrzeuge. Bei einer Zusammenlegung wären zumindest 10 bzw. sieben Teilnehmer gegeneinander angetreten.

„Wie sollen da noch Punkte für die Gesamtmeisterschaft gesammelt werden?“, fragt Leuchter. „Das bisherige Vergabesystem ist ja darauf ausgelegt, dass es mit mehr Klassennennungen auch höhere Punktezahlen gibt. Bei zwei oder drei Gegnern kommt da nichts dabei herum. Das für 2022 angekündigte System mit voller Punktzahl ab sieben Autos kommt dir da zwar entgegen, aber wenn es noch immer die Trennung von SP3T und TCR Pro und Am gibt, erreicht keine Kategorie kaum diese Teilnehmerzahl.“

Der VW Markenbotschafter regt weiterhin an: „Es wäre doch sehr spannend und wettbewerbsfördernd, wenn die Teams mit den TCR-Autos alle freie Reifenwahl hätten und hier Kooperationen eingehen könnten. Mit einem flexibleren Reglement könnte das Interesse weiterer Rennställe geweckt werden, um nicht nur in der Creventic oder TCR Germany zu starten, sondern auch den Schritt in die Langstrecke auf der Nordschleife zu wagen. Die schnellen Autos sind wie gemacht für die Strecke, machen Spaß und wir fahren Rundenzeiten unter 8:45 Minuten – warum sprangen da nicht längst schon mehr auf?“

Eine mögliche Lösung wäre nach seiner Auffassung eine gemeinsame SP3T/Tourenwagen Klasse, in der alle zusammen antreten könnten. Hierzu sagt er: „Die TCR sind seit der Einführung inzwischen in der dritten Generation und doch sind wir mit unserem Modell aus 2018 noch voll konkurrenzfähig, was wir gegenüber den neuesten Hyundai beim 24h-Rennen beweisen konnten. Der Wettbewerb wäre viel bunter, attraktiver, transparenter und mit mehr Rennaction – davon würden die NLS ja nur profitieren.“
Leuchter kündigt an, dass Max Kruse Racing zum 6h-Rennen mit drei VW Golf GTI TCR starten wird. Im Unterschied zum Doppel-Wochenende im Juli werden aber nicht nur die Stamm- und Nachwuchspiloten am Lenkrad drehen.
Hierzu erklärt er: „Wir haben ein drittes Auto mit Fahrern aus Dänemark die eigentlich einen eigenen TCR-Audi haben mit dem sie bis dato in der TCR Klasse unterwegs sind. Doch aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen und dadurch fehlender Competition wollten diese in die SP3T wechseln, was ihnen mit diesem Fahrzeug nicht mehr möglich ist – hier schließt sich der Kreis: Sie kamen auf Max Kruse Racing zu und entschieden sich für den Einsatz in unserem dritten Golf in der SP3T – mit mehr Konkurrenz.“

Abschließend sagt der Teamchef: „Wir lieben die Nürburgring Langstrecken-Serie, sie ist für uns alle im Team mittlerweile das Zentrum. Es gab viele Neuerungen, die die NLS weiter aufgewertet haben und die Veranstalter machten gerade zur Pandemie-Zeit einen großartigen Job damit wir weiter Rennen fahren konnten. Warum es dann bei dem Thema so verwirrend wird verstehe ich nicht. Wir wollen doch geilen Rennsport wie er z.B. in der CUP3 oder VT2 dieses Jahr läuft in jeder Klasse sehen. Ich wünsche mir sehr, dass die Verantwortlichen nochmals in sich gehen und eine attraktive Lösung finden. Dann sehen wir mit Sicherheit auch wieder mehr der Tourenwagen in der Grünen Hölle.“

„Max Kruse Racing plant, unabhängig ob es hier eine Reform geben sollte, für die Saison 2022 den durchgehenden Einsatz von drei VW Golf GTI TCR in der NLS. Damit wäre vielleicht der Grundstein für eine volle Einheitsklasse gelegt.“, verrät Leuchter noch.
Das Golf TCR Trio von Max Kruse Racing wird beim ROWE 6 Stunden ADAC Ruhr-Pokal-Rennen am 11. September 2021 in der SP3T starten. Wer in die Cockpits steigen wird verrät das Team dann kurz vor dem Rennwochenende.
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