Eine Woche nach dem 24h-Rennen am Nürburgring sind so langsam die Erlebnisse verdaut. Aufregende Stunden und Tage waren es, mitten ‚drin in dem Gewühl des Fahrerlagers und um die gesamte Nordschleife. Während sich so manches werksunterstütztes GT3-Team noch immer die Wunden leckt, freuen sich die kleinen Teams über ihre Platzierungen. Zeit ein kleines Fazit zu ziehen.
Nach heftigen Regengüssen am Donnerstagnachmittag hielt sich das Eifelwetter tatsächlich mal an die allgemeinen Wettervorhersagen. Es blieb drei Tage lang heiß, sonnig und trocken. Vermutlich verkraftete die sommerlichen Temperaturen und die atemberaubende Zuschauerkulisse – der Veranstalter vermeldet 230.000 über die Tage – nicht jeder gleich. Übermotivierte Aktionen einzelner Teilnehmer gefährdeten andere Piloten oder Sportwarte und zogen teils empfindliche Zeitstrafen oder eben weniger schmerzhafte Geldstrafen nach sich.
Auch Kuriositäten bot das große Wochenende am Ring.
So unterschiedlich die Fahrzeuge sind, so verschieden sind auch die Ansichten zum Langstreckenklassiker in der Eifel. Während die einen in den Lounges über den Boxen fröhlich mit Prosecco anstießen und über die „weiten Wege“ bis zur Teambox lamentierte, schickte man zur selben Zeit aus einem Pavillon, der als Teamzelt fungierte, in der dritten Reihe des Fahrerlagers ein Teammitglied los in Richtung Adenau um die inzwischen vierte Rennbatterie zu kaufen – das Stück zu je 700 Euro. „Dann fahren wir eben zum Camping nach Holland in den Sommerferien, statt All-Inclusive zu buchen, denn das Geld fehlt uns natürlich schon. Scheissegal! Wir wollen ankommen, da juckt mich das doch nicht!“ so der Teamchef. Ja, auch dieses Team hat tatsächlich die Zielflagge gesehen.

Ein „alter Nordschleifenhase“, wie Rudi Adams, kämpfte sich mit hochgeklappter Motorhaube von der Döttinger Höhe bis auf die Grand Prix Strecke um dann stumpf genau an der Leitplanke der Boxenmauer Einfahrt Boxengasse, frontal aufzuprallen. Dadurch schloss sich die Haube und verhakte sich auch noch in der Leitplanke. Für Fahrer und Team sicher erst einmal beschämend und für die Zuschauer einige Lacher wert, aber im Renngeschehen und dem Adrenalinüberschuss sicher etwas, das passieren kann. All dies hat aber das Team Leutheuser Racing nicht davon abgehalten den BMW M4 GT4 im Stil eines Art Cars mit meterweisem Tape zu richten um Sonntag 15:30 Uhr die Zielflagge zu passieren.

Die Mannschaft rund um die grüne Viper zeigte auch eindrucksvoll, mit welchem Kampfgeist man in die Eifel reiste. Nach einem kleinen Leitplankenkontakt blieb das grüne Biest irgendwann auf Höhe Breidscheid liegen und musste dann per LKW wieder ins Fahrerlager verbracht werden. Vier! Stunden wartete das Team im Teamzelt auf das Objekt der Begierde. Der Verkehr rund um den Ring ließ wohl eine schnellere Anlieferung nicht zu. Schnell abgeladen und untersucht, stellte sich dann heraus, dass der Fanliebling aufgrund des vorhergehenden Unfalls einen Bruch an der Aufhängung des Differenzials erlitt. Aber hoch motiviert, machte sich die Mannschaft an die Arbeit. Und 50 Minuten später stand die Viper wieder auf den eigenen vier Rädern und war bereit für einen Restart.

Besonders eindrucksvoll und mit mehrfacher Gänsehautgarantie war wieder der Auftritt des Opel Mantas rund um Olaf Beckmann. Hörte man beim Sonnenuntergang schon das Munkeln so mancher „Fachleute“, dass die Karre Kernschrott ist, so zeigten Beckmann mit dem Team was Ehrgeiz und Rennspirit sind. Beckmann, Peter Hass, Volker Strycek und unzählige Leute waren bis in die Nacht am Schrauben.
Die Herren im gesetzten Alter gaben alles, um das Kultauto wieder fit zu machen. Als am Sonntag etwa sechs Minuten vor Rennende dann der Opel Manta aus der Box fuhr, um die letzte Runde noch mitzuerleben und den Fans zu zeigen, dass der Fuchsschwanz weiter weht, ging ein Jubel über die Tribünen. Die Euphorie dann bei der Zieldurchfahrt glich dem eines Torjubels beim WM-Finale. Auch wenn der Opel Manta nicht einmal gewertet wurde, diese beachtenswerte Show zeigt, was in der Langstrecke am Nürburgring auch möglich ist und noch gelebt wird.

Auch ein Gentleman wie Peter Posavac ließ sich durch einen kapitalen Motorschaden nicht den Schneid abkaufen. Wenn auch preislich einige Klassen höher als Rennbatterien, so entschied auch er sich dafür den fabrikneuen V8 in den BMW Z4 GT3 einbauen zu lassen welcher im Teamtruck schlummerte. Walkenhorst Motorsport und Speedline Racing tauschten das gesamte Aggregat über Nacht aus und der Zetti nahm wieder die Jagd nach Runden auf. Umso herber war dann zu sehen als der Z4 dann in den Morgenstunden einschlug und das endgültige Aus fest stand.

Und dann schweift der Blick auf manches Werksteam, welches nach Beschädigungen unterschiedlicher Art sofort die Box räumte und auch im Fahrerlager abfahrtbereit gepackt hat, noch während das Rennen lief. Irgendwie kristallisierten sich schnell die gegensätzlichen Einstellungen heraus. Demonstrierten die SP9 Teams wieder einmal das „nur das Gewinnen zählt, sonst gehen wir lieber bevor wir Zweiter werden…“ – die #gohardorgohome-Mentalität – während zeitgleich viele Mannschaften in den Klassen darunter alles unermüdlich daran setzten ihr Auto auf der Strecke zu halten oder sie zurück zu bringen.
Es wird viel über die Entwicklung der VLN Langstreckenmeisterschaft und des 24h-Rennens diskutiert. Manches ist verbesserungswürdig, einiges darf man kritisieren, aber das Meiste ist immer noch unbeschreiblich toll. Man kann hoffen, dass uns diese Spektakel noch lange Zeit erhalten bleiben.
Ein persönliches Fazit könnte lauten: „Es war heiss, es war spannend, material- und kräfteraubend, aber es war ein weiteres phantastisches 24h-Rennen am Nürburgring 2019. Wer genau hingeschaut hat, bemerkte die funkelnden Sterne der kleinen Teams im großen Zirkus der oberen Klassen. Letztendlich macht es die Mischung aus allem zusammen aus!“
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