Die emodrom GmbH traf sich zu Beginn des Jahres mit Politik und Wirtschaft am Hockenheimring, um über die Zukunft des badischen Rundkurses zu sprechen. „Messen statt Motorsport“ sorgte dabei in den vergangenen Wochen für eine Menge Trouble in der Motorsportwelt. Bis weit nach Südamerika und Australien schlugen die Wellen dieser Headline. Wir sprachen mit Thomas Reister, Geschäftsführer der emodrom GmbH über die Hintergründe dieser Message und die Zukunft der weltbekannten Rennstrecke.

V.r.n.l. Verkehrsminister Winfried Hermann, emodrom Gründer Thomas Reister, e4TESTIVAL Geschäftsführer Alexander Nieland
V.l.n.r. Verkehrsminister Winfried Hermann, emodrom Gründer Thomas Reister, e4TESTIVAL Geschäftsführer Alexander Nieland | Foto: emodrom/e4TESTIVAL

Herr Reister, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und mit LSR-Freun.de über die Zukunft des Hockenheimrings sprechen. Zuallererst: „Messen statt Motorsport“ – die Nachricht ging um die Welt. Was steckt hinter dieser Headline?

Thomas Reister: Die Headline war, glaube ich, gut gemeint. Jedoch ist sie am Ende zu kurz geraten und deshalb von vielen Fans falsch aufgenommen oder falsch interpretiert worden. Richtig ist „Mobilitätszentrum und Motorsport“. Der Hintergrund ist, dass wir hier in Hockenheim mit der emodrome GmbH, zusammen mit den Kollegen der Hockenheimring GmbH, die Transformation einleiten, von einer klassischen Rennstrecke hin zu einem modernen Mobilitätszentrum.

Die Headline entstand anlässlich des Besuchs der Wirtschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg (Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Anm. d. Red.), bei dem man darüber sprach, wie neue Modelle aussehen können.

Die können dann eben so aussehen wie unser E4-Testival, ein neues innovatives Messekonzept das wir seit 2018 veranstalten. Genau das Konzept, worüber sich die IAA heute Gedanken macht, auf der wir bereits ausstellen, was wir hier im Rahmen der Transformation künftig aufbauen. Das soll aber nicht heißen, dass wir die Tradition vernachlässigen – im Gegenteil: Die DNA des Hockenheimrings – der seit fast hundert Jahren neben dem Nürburgring zu den weltweit bekanntesten deutschen Sportstätten überhaupt zählt, wird beibehalten werden. Dazu gehört der Hockenheimring auch zu den bekanntesten internationalen GP Rennstrecken. Wir wollen auch künftig große Rennsportveranstaltungen zeigen, Musikereignisse ermöglichen und auch dem Breitensport hier Zugang gewähren, aber eben auch innovativen und modernen Formaten die Bühne bieten, die sie suchen und benötigen. Ich glaube, dieser Mix spiegelt am Ende den aktuellen Markt und unsere Gesellschaft wider. Es gibt auf der einen Seite die junge Generation, die ihren Spaß am E-Sport hat – den wir hier auch gerne ansiedeln wollen, wie andere Rennstrecken auch. Auf der anderen Seite stehen die Fans der Verbrennermotoren und der E-Mobilität. Und dafür steht diese Infrastruktur. Die Zukunft wird definitiv vielschichtiger.

Hockenheimring Südtribüne
Hockenheimring Südtribüne | Foto: M. Brückner

Wie verarbeitet der Hockenheimring den Abgang der Formel1?

Ja, es ist ziemlich hart. Seit 1970 fanden hier große Formel1-Rennen statt und der Ring hat eben auch dadurch seinen weltweiten Bekanntheitsgrad erlangt. Wir – die emodrom group zusammen mit den Kollegen der Hockenheimring GmbH – werden sicherlich alles dafür tun und prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, die zumeist finanzieller Natur sind, Budgets und Geschäftsmodelle so aufzustellen, dass man auch mit den Rechteinhabern der großen Rennserien reden kann, um u.a. die Formel1 wieder hierher zu bekommen. Das wird die Zukunft zeigen. Wir sind da dran und haben auch großes Interesse, große Formate nach Deutschland zu holen.

Elektromobilität – wie stehen Sie persönlich zum Wandel in der Mobilität und im Motorsport?

Generell ist eine neue Zeit eingeläutet. Da wird es auch keine Abkehr mehr geben. Die Mobilität der Zukunft wird deutlich differenzierter aussehen. Wir werden Antriebe mit Verbrenner, Hybriden, Batterien, Brennstoffzellen, synthetischen Kraftsstoffen usw. haben. Wir müssen das in Deutschland vorhandene Top Know-How der Hersteller und Zulieferer nutzen, um auch weiterhin Individualmobilität und qualifizierte Arbeitsplätze darstellen zu können. Ein Teil wird die E-Mobilität sein, wie wir sie heute gerade erleben. Die wird aber auch nur für ganz bestimmte Profile sinnvoll werden. Anders als in den vergangenen hundert Jahren. Zudem wird es unterschiedliche Mobilitätskonzepte geben, bei denen differenziert wird, ob ich ein Fahrzeug besitze, miete ich mir ein Auto oder nutze Sharing, oder steige ich am Ende auf den ICE um, um Langstrecken zurückzulegen. Ich glaube, so wird sich die Mobilität entwickeln. Und das ist genau der Punkt, den wir hier am Standort darstellen wollen. Dazu bieten wir allen Playern aus der Industrie, Verbänden und Hochschulen ein ideale Plattform, sich hier in dieser Infrastruktur niederzulassen. So wie wir Porsche als OEM oder die DÖRR-GROUP als Händler u.a. mit den Marken McLaren, Lamborghini, Lotus, Bugatti, Pagani, Dallara bei uns erfolgreich ansiedeln konnten. Das wollen wir z.B. auch für Pedelecs und E-Bikes bzw. Fahrzeuge und Mobilitätskonzepten jeglicher Art anbieten. Und jeder der sich über Mobilität der Zukunft informieren will, kann künftig am Hockenheimring spannende Dinge erleben.

Wie ist die Idee entstanden?

Die Idee selbst kam mir bereits 2007, als mich mein ehemaliger Mandant Heinz Harald Frentzen anrief und sagte „Thomas, ich habe bisher so viel Energie am Kurvenanfang verbremst, die mir am Kurvenausgang wieder gefehlt hat. Aber ich habe eine Idee: Wir machen ein Hybrid-Fahrzeug. Wir rekuperieren vor der Kurve und nehmen die Energie dann wieder zum Rausbeschleunigen. Hast Du Interesse, Dir das mal anzuhören?“ Und ich rede hier immer noch über 2007, also vor 13 Jahren. Da gab es die Thematik der E-Mobilität oder Hybridisierung noch gar nicht. Gesagt, getan! Ich habe mir das Ganze angehört und haben dann gesagt, dass wir kein Fahrzeug für Sprint oder Kurzstreckenrennen machen, sondern für die Mutter der Langstreckenrennen in Deutschland: das 24h-Rennen am Nürburgring.

Dafür haben wir dann ein komplett eigenes Fahrzeugkonzept entwickelt, also mit komplett eigenem Technikteam. Heinz-Harald war damals verantwortlich für Sport und Technik und ich habe das Management in die Hand genommen. Als Fahrzeug haben wir uns einen Apollo der Firma Gumbert gekauft, das Fahrzeug zerlegt und gemeinsam mit Industriepartnern einen eigenen Akku-Pack der Fa. GAIA, eine eigene Leistungselektronik
und Antriebsmodule von BRUSA entwickelt und verbaut. Daraus haben wir dann unser komplett eigenes Fahrzeugkonzept nach der Idee von Heinz-Harald erschaffen, der der Zeit voraus war und den grössten Teil des Budgets seinerzeit privat finanzierte. 2008 sind wir dann bei den 24h an den Start gegangen.

Interessant ist vor allem, dass es zu dieser Zeit noch kein Reglement der FIA gab. Deshalb erlaubten wir einem vom damaligen Präsidenten entsandten Team unser Projekt zu begleiten um konkrete Erkenntnisse für ein Regelwerk zu bekommen. Das heutige FIA Reglement für E-Fzge. basiert gerade in sicherheitsrelevanten Punkten u.a. auf unserem damaligen HYBRID-RACING Projekt.

Und so sind wir dann eben auf die Idee gekommen, zu schauen, wer noch vom künftigen Wechsel der Mobilität betroffen ist. Meine Erfahrung im Motorsport – immerhin 25 Jahre, unter anderem in der Formel 1 und in der Moto-GP – sagte mir, dass da Potenzial war und wie wir heute sehen, immer noch ist. Die klassischen Rennstrecken werden mit Rennsport alleine nicht mehr überlebensfähig sein, weil sich schlichtweg die Technologie, aber auch das Verhalten der Fans ändert und sich weiter ändern wird.

Stichwort Traditionsrennstrecken: Der Hockenheimring gehört neben Monza, Spa oder Nürburgring zu den bekanntesten Rennstrecken der Welt. Dennoch scheint der Hockenheimring den Schritt in die Zukunft verschlafen zu haben. Woran liegt das?

Da muss man erst mal eine Lanze für die engagierten Mitarbeiter des Hockenheimrings brechen, weil sie jeden Tag aufs Neue kämpfen und brennen, den Ring attraktiv zu halten.

Dazu muss man wissen, der Hockenheimring ist seit vielen Jahren eine städtische Gesellschaft. Das hat dann auch zur Folge, dass mehr verwaltet wird – weil es anders mit dieser Struktur gar nicht geht – und weniger gemanagt. Hinzu kommt, dass eine Stadt oder Kommune mit ihren ganzen Herausforderungen nur schwer argumentieren kann, warum man in eine solche Sportstätte investieren soll, wenn man andererseits das Problem hat Infrastruktur, Schulen, sozialer Wohnungsbau usw. – die Probleme eben, vor der jede Gemeinde und Stadt steht – unter einen Hut zu bringen.

Der Hockenheimring hat sich, anders als andere Rennstrecken in der Welt, nicht mit einer Insolvenz gesundgestoßen. Die Hockenheim-Ring GmbH zahlt regelmäßig und fleißig ihre Zinsen und Schulden zurück, die noch vom letzten Ausbau 2002 stammen. Und das Geld fehlt dann möglicherweise auch bei Investitionen. Im Grunde eine Wettbewerbsverzerrung, die aber ist wie sie ist.

Es zeigt uns – gerade in Europa – dass Strecken, die sich in privater Hand befinden State of the Art sind. Schauen wir nach Österreich: Da steckt ein Milliardenunternehmen (Red Bull) hinter dem ehemaligen Österreichring in Spielberg das erkannt hat, dass es sportlichen Wettbewerb in der Mobilität darstellen will.

Ähnliches sieht man in Südfrankreich, in Le Castellet – damals auch eine in die Jahre gekommene Rennstrecke. Den Circuit Paul Ricard hatte eine Firma von Bernie Ecclestone übernommen, investiert und an Toyota als Teststrecke vermietet. Alle großen Formate, bis hin zur Formel1, finden dort heute wieder statt.

Wie kann der Hockenheimring davon profitieren?

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Dieser Beitrag wurde von verfasst.

Michael Brückner ist seit Jahren begeisterter Motorsportfan und Fotograf. Außerdem sammelt er wissbegierig allerlei Informationen und arbeitet diese dann auf. Warum also nicht alles unter einen Hut bringen und der Welt zur Verfügung stellen. So entstand LSR-Freun.de. Neben der fotografischen und redaktionellen Arbeit kümmert sich Michael auch um die technischen Aspekte des Internetauftritts.
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