Den Führerschein darf sie noch nicht machen, doch auf der Rennstrecke gibt sie trotzdem Vollgas. Lilly Zug ist letztes Jahr vom Kartsport in den Tourenwagen Junioren Cup gewechselt. Die junge Nachwuchsrennfahrerin nutzt die Wintersaison zur Vorbereitung auf die neue Rennsaison. Vor kurzem war sie Teilnehmerin der Allied Racing Junior Academy. Die 15-Jährige hat uns im Interview erzählt, wie sie das Wochenende in der Academy empfunden hat, warum ihr Bruder ein großes Vorbild ist und welche eigenen Wege sie einschlagen möchte.

Hi Lilly, wir haben gelesen, dass du vor Kurzem in der Junior Academy von Allied Racing warst und unter anderem ein Medien Training absolviert hast. Du bist jetzt also perfekt vorbereitet für unser Gespräch 😊 Erzähl doch mal: Wie bist du zu der Academy gekommen und was hast du dort erlebt?

Foto: Lilly Zug

Lilly Zug: Das Team Allied Racing wird von Jan Kasperlik geführt, der auch selbst Rennfahrer ist. Mein Bruder ist früher GT4 gefahren und daher kannte man sich schon ein bisschen. Da wir für dieses Jahr noch in Planung sind, was ich machen werde, dachten wir, dass wir einfach offen sind und uns verschiedene Teams anschauen. Da kam das sehr passend mit der Junior Academy. Das war aber alles sehr kurzfristig. Ich war auf dem Weg zur Schule als mein Papa mir geschrieben hat, ob ich da nicht spontan hinfahren mag.

Am Freitag haben wir eine technische Übersicht über das Auto bekommen. Den Tag danach haben wir komplett mit Daten verbracht. Ausgewertet und auch gelernt bekommen, wie man das alleine als Fahrer für sich macht. Am Sonntag hatten wir mit Maren Braun Medientraining. Erstmal Grundlagen besprochen und später sollten wir dann auch selbst kreativ werden und zum Beispiel eine Instagram Story machen. Und Übungen für Interviews kamen dann auch noch.

War dir vieles schon bekannt oder hast du viele neue Sachen gelernt, dir dich weiterbringen?

Foto: Lilly Zug

Ja auf jeden Fall hat es mir etwas gebracht. Ich bin der Meinung, dass das Ganze mit Allied Racing eine Ausnahme ist. Ich habe noch nie von einem Team gehört, das so etwas anbietet. An dem Wochenende habe ich viel gelernt, vor allem am Samstag mit den Daten. Dass ein Team schon vor der Saison so viel Kontakt zu den Fahrern hat, um diese vorzubereiten, finde ich sehr gut.

Bist du denn bislang mit Daten oder Data Engineering in Berührung gekommen oder war das für dich Neuland?

Ja ein bisschen in Berührung gekommen bin ich bislang schon. Letztes Jahr bin ich im Junioren Tourenwagen Cup gefahren und da ist es schon was anderes, wie wenn man Kartsport betreibt. Aber auch im Juniorencup ist es nochmal anders als im Profisport. Da gibt es nochmal mehr Sachen, die man auswerten kann. Die Auswertung an sich ist länger und auch viel detaillierter.

Jetzt wo du bei Allied Racing in der Vorbereitung warst – können wir davon ausgehen, dass du in diesem Jahr dann auch für Jan Kasperlik fährst?

Das ist noch nicht fix. Aber es steht auf jeden Fall im Gespräch.

In welche Richtung würdest du denn dieses Jahr gerne gehen? Raus aus dem Juniorcup?

Auf jeden Fall GT4! Was ich aber auch sehr interessant finde, ist der M2 Cup. Wir waren letzte Woche bei Herrn Kamps. Ich finde die Serie spannend und cool, weil vor allem die jungen Fahrer besonders gefördert werden. Aber da muss man jetzt mal schauen, in welche Richtung sich alles entwickelt.

Dein Bruder Marius ist im Motorsport ebenfalls erfolgreich unterwegs. Unterstützt er dich bei der Entscheidung, welche Rennserie oder welches Team für dich der richtige Weg ist? Oder macht bei euch jeder eher sein eigenes Ding?

Ja, wir reden schon darüber und ich frage auch, was er davon hält. Aber gerade jetzt vor der Saison muss er sich auch viel um seine Wege kümmern. Wir sehen uns auch nicht ganz so oft. Ich bin auf einer Ganztagsschule. Wir hängen nicht die Ganze Zeit aufeinander und reden nur über Motorsport. Aber klar, beim Abendessen kommen dann schon Gespräche, darüber, was wir machen, was macht er, was mache ich und dann frage ich ihn auch nach seiner Meinung.

Hättet ihr Lust zu zweit auf einem Auto zu fahren? Ein Geschwisterteam?

Ja klar, an sich schon. Aber ich glaube, dass das zwischen meinem Bruder und mir etwas schwierig ist. Wir sind von Grund auf unterschiedliche Fahrer. Mein Bruder fährt viel mit Kopf und ich fahre eher mit Bauchgefühl. Normal ist es oft so, dass gleiche oder ähnliche Fahrerpaarungen zusammen auf einem Auto sitzen.

Aber an sich ja, wäre das eine coole Sache und wir haben darüber schon nachgedacht.

Du sagtest, du bist auf einer Ganztagsschule. Wie schaffst du es denn, das mit dem Motorsport zu vereinen?

Das ist schon etwas schwierig, weil mir eigentlich kaum Freizeit bleibt – was ich persönlich aber nicht schlimm finde. Klar, es wäre schon schön, wenn man auch einfach mal spontan ins Kino gehen könnte. Das kann ich zwar, aber nicht so oft.

Foto: Lilly Zug

Ich gehe auf eine Sportschule und für den Motorsport ist das ganz gut, weil ich einfach freibekomme für die Rennwochenenden. Da sagt mein Schulleiter: „Alles klar, dann holst Du Mathe, Deutsch, Englisch nach und jetzt ab mit Dir.“

Motorsport ist jetzt kein Standard-Hobby. Wie bist Du dazu gekommen? Durch Deinen Bruder?

Mein Papa ist früher Porsche Rennen gefahren.

Wir waren als Kinder immer mit dabei. Ich erinnere mich daran, dass ich ungefähr fünf Jahre alt als wir in Oschersleben waren. Dort gibt es auch eine Kartstrecke. Und während mein Dad seinen Porsche gefahren hat, standen Marius und ich beim Kartrennen und waren davon viel mehr angetan.

Vermisst Du das Kartfahren, jetzt wo Du langsam in den Automobil Sport wechselst?

Ja, ein bisschen. Kartfahren ist und bleibt für immer eine eigene Welt für mich. Ich habe das so lange gemacht. Ab und an bin ich immer noch auf der Kartbahn. Ich fahre noch, aber nur noch zum Training und keine Rennen.

Was ist Dein Ziel mit dem Motorsport? Ist es Dein Traum, das Ganze Vollzeit zu machen und damit Geld zu verdienen? Oder hast Du andere Ziele? Studieren?

Studieren auf jeden Fall. Wobei man da schauen muss, wie sich das mit dem Motorsport vereinen lässt. Mir geht es weniger darum, mit dem Motorsport Geld zu verdienen. Es ist mehr so, dass Motorsport meine Leidenschaft ist und sofern es möglich ist, würde ich das gerne für den Rest meines Lebens machen.

Wie ist es für Dich ein schnelles Rennfahrzeug zu fahren aber keinen Führerschein zu haben? Deine Mama muss dich überall hinfahren.

Ich werde oft von den Freunden aus der Schule gefragt, ob ich meinen Führerschein schon vorher machen darf. Darf ich leider nicht. Ich finde das aber okay. Ich meine es ist nun mal Gesetz. Was soll man da auch machen? Mama fährt mich immer zu den Rennen und das passt so.

Du bist als Mädel in der Männer Domäne eine Seltenheit. Merkst du, dass du ein bisschen anders behandelt wirst?

Foto: Lilly Zug

Nein, nicht wirklich. Also klar, es ist schon so, dass vor allem Zeitungen oder auch das Fernsehen viel mehr Fokus auf die Mädchen legen, weil es eben mehr Jungs als Mädchen sind. Aber an sich finde ich es schon wichtig, dass ich keine besondere Behandlung bekomme, nur weil ich ein Mädchen. Ich will im Prinzip auch das Gleiche erreichen, was die Jungs erreichen. Und für mich ist das schon Gewohnheitssache, dass ich nicht anders behandelt werde, und das will ich auch gar nicht.

Welche drei Wörter beschreiben dich am besten?

Stur auf jeden Fall. Zielstrebig würde ich auch sagen. Und wenn ich etwas will, dann brauche ich das unbedingt. Das hängt ein bisschen mit zielstrebig zusammen, aber das ist dann eher so: Egal wie, das geht dann auch mit dem Kopf durch die Wand.

Wie gehst du damit um, wenn die Niederlagen widerfahren?

Das Ist natürlich für jeden Rennfahrer schwierig, wenn man sagt, man ist Zweiter in der Meisterschaft und will aber gewinnen und gewinnt am Ende dann nicht. Aber Niederlagen gehören dazu und ich finde, dass man durch jede Niederlage mehr wächst und viel mehr draus lernen kann.

Also bist du keine, die den Helm in die Ecke wirft und auch mal rumschreit?

Nicht öffentlich. Aber wenn ich dann allein bin, dann ärgere ich mich schon. Aber das ist ja normal.

Nimmst du deine Familie immer mit an die Rennstrecke? Klar, Mama fährt dich. Wie ist es mit Bruder und Papa?

Ja, ab und an. Aber normal ist das bei uns so aufgeteilt, dass Mama und ich fahren und Papa mit meinem Bruder. Das liegt aber auch daran, dass sich letztes Jahr viele Rennen überschnitten haben. Aber manchmal tauschen wir auch, sodass Papa bei mir und Mama bei Marius mitfährt.

Bei Allied Racing in der Academy hast du jetzt auch viel über die Technik gelernt. Wie ist das als Mädel so? Hast du einen Bezug dazu? Weißt du, wo Getriebe und Querlenker sitzen?

Foto: Lilly Zug

Ja schon. Also beim GT4 Auto noch etwas schwierig, weil es bei Allied Racing schon sehr ausführlich war. Ich bin auch erst Mittag dazugestoßen, obwohl es schon morgens anfing. Eben weil es so spontan war und ich gar nicht dachte, dass ich dahinfahre. Deswegen war ich von Anfang an nicht dabei und habe nicht alles gesehen.
Aber ich würde schon sagen, dass ich mich – vor allem als Mädchen – gut auskenne.

Wie ist das Thema SimRacing für dich? Bist du in der virtuelle Welt unterwegs?

Ja schon. Also ich fahre jetzt keine richtigen Rennen mit, wenn dann nur zum Spaß. Also ich lege da eher meinen Fokus auf das Üben und Streckenkennenlernen. Wo bremse ich, wo kann ich Gas geben und sowas.

Hast Du ein Motorsport Vorbild?

Ja, nicht nur eins. Ich bin sehr großer Verstappen Fan. Und irgendwie ist auch mein Bruder mein Vorbild, das muss ich auch ganz ehrlich sagen. Klar gibt es immer mal wieder Auseinandersetzungen unter Geschwistern, aber ich finde das, was mein Bruder in den letzten drei Jahren erreicht hat, ist schon wirklich erstaunlich und spricht für ihn.

Letzte Frage: Was sind deine Ziele für diese Saison?

Es ist immer schön zu gewinnen und schnell zu sein. Aber das ist für jeden Rennfahrer das Ziel. Für mich ist es erstmal wichtig – vor allem wenn ich sage, dass ich zum ersten Mal in ein wirklich schnelles Auto einsteige – dass ich mich selbst weiterentwickle und ich am Ende des Jahres sage, dass ich weitergekommen bin.

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Dieser Beitrag wurde von verfasst.

Früher Kart gefahren - heute Texte schreiben. Jennifer „Jenny“ Falkner ist seit 2014 regelmäßig an den Rennstrecken Europas anzutreffen. Unter dem Namen „Jensationel Motorsport Media“ arbeitete und arbeitet sie auch heute noch für viele Teams und Rennfahrer im PR-Bereich. Dank des Journalismus-Studiums bleibt sie den Nachrichtenmagazinen aber nach wie vor treu. Denn scharfe Fragen stellen gehörte schon immer zu ihren besten Fähigkeiten. 2021 schloss sie ihr zweites Studium (Fahrzeugtechnik) ab und ist im Motorsport neuerdings auch als (angehende) Dateningenieurin - wie auch ihr Bruder Andreas - anzutreffen.
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