Mit seinen 32 Jahren ist Hendrik Still längst als Routinier und zuverlässiger schneller Fahrer bekannt. GT3, GT4 und LMP3 Boliden der verschiedensten Hersteller und Teams kennt er und weist eine beachtliche Anzahl an Podest-Plätzen in seiner Karriere vor.
Als Instruktor bei seinem Unternehmen fast-driving-academy bildet er Nachwuchs und Neueinsteiger aus, oder coached bereits erfahrene Pilotinnen und Piloten, um diese zu noch schnelleren Runden zu bringen. Wir befragten den sympathischen Mann aus Schalkenbach zur anstehenden Saison 2020 und seine nationalen und internationalen Einsätze.
Hallo Hendrik, danke dass du Zeit hast uns ein paar Fragen zu beantworten. Wann begann Deine Reise in die Motorsportwelt? Wie hast Du Dich mit dem Renn-Virus infiziert?
Hallo zurück, ich danke euch für die Aufmerksamkeit. Zur Frage wie ich infiziert wurde, kann ich sagen: Anders als die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen nicht über den Kart-Sport. Ich bin als Kind Motocross gefahren. Erst so mit 16 Jahren kam in mir der Traum auf ins Auto zu wechseln. Mein Papa hatte damals einen Toyota Yaris Cup gekauft. So zog ich auf dem Mofa los durch die Eifel, um mir Sponsoren zu suchen. Mit Ach und Krach bekam ich dann knapp 15.000 Euro zusammen, um im Yaris-Cup mal loszulegen.
Mit achtzehn Jahren landete ich bereits in der VLN Langstreckenmeisterschaft. Da war ich dann auch die folgenden Jahre in diversen Teams und Fahrzeugen wie der Ginetta GT4 unterwegs. Damit begann es.
Ab Mitte Zwanzig war ich das erste Mal abseits der Nordschleife im Einsatz und fuhr neben der VLN internationale Sprintrennen. Ich bekam erste Chancen in der GT4 Europameisterschaft, später dann in der Lamborghini Super Trofeo, weiter in die GT3 und in den LMP3.
Das steigerte sich in den vergangenen fünf Jahren auf bis zu 25-30 Wochenenden im Jahr die ich im Einsatz bin. Das ist super und das würde ich mit den tollen Programmen auch so gerne weiter beibehalten auch wenn ich dadurch sehr beschäftigt bin.
Vor wenigen Tagen gaben die Sorg-Brüder bekannt, dass du die ADAC GT4 Germany beim Team AVIA Sorg Rennsport im BMW M4 GT4 bestreitest. Wie kam es dazu?
Das war ein recht lustiger Zufall. Eigentlich rief Benjamin Sorg bei meinem Freund Peter Terting an. Mit dem war ich da gerade in Portimao und Ascari kurz vor Weihnachten. Benjamin fragte bei Peter, ob es eine Möglichkeit gibt den Jan Marschalkowski kennen zu lernen und womöglich 2020 zu betreuen. Die Idee gefiel Peter auch, jedoch ist er ein Fahrer mit FIA-Gold-Status und somit nicht in der GT4 Germany zugelassen. Peter meinte dann: „Neben mir sitzt aber mein Kumpel Hendrik Still, der ist Silber-Fahrer, soll ich dich mal weiterreichen?“. Benjamin war überrascht, dass ich überhaupt verfügbar sei und so kamen wir ins Gespräch.
Die Sorg-Brüder kenne ich seit fast zehn Jahren, so war von beiden Seiten recht schnell das Vertrauen da ein solches Projekt gemeinsam anzugehen. Der nächste Schritt war dann ein langes Telefonat mit Jan und seinem Vater Eric, um sich kennen zu lernen. Die Chemie hat sofort gepasst und wir trafen uns in München zu einem netten gemeinsamen Essen. Da ist dann die endgültige Entscheidung gefallen die ADAC GT4 Germany-Saison gemeinsam zu fahren.

Jan Marschalkowski gibt mit 17 Jahren seine Debutsaison in einer prominenten Serie, du teilst mehr als „nur“ das Cockpit des BMW M4 GT4 mit ihm. In welcher Form unterstützt du einen solchen Nachwuchsfahrer?
Natürlich geht es nicht nur darum mit Jan gemeinsam die Rennen zu fahren. Ich werde über die ganze Saison und selbstverständlich den Testfahren vorher Jan an die Hand nehmen. Wir werden gemeinsam Setups erarbeiten, sein fahrerisches Können zu verbessern durch Weitergabe meines Wissens und Tipps. Wir werden sicherlich auch einige Tage im Simulator verbringen, um ihm die entsprechenden Strecken näher zu bringen. Ziel ist es, ihn so flott als möglich für eine solch hartumkämpfte Meisterschaft konkurrenzfähig zu machen. Und wir schaffen das gemeinsam, davon bin ich überzeugt.
Die vergangene Saison beim KÜS Team75 Bernhard hast du auf Fahrerrang 17 abgeschlossen, deine Aufholjagd bis auf Rang drei beim vorletzten Rennen war ja grandios, jedoch letztendlich nur Ergebniskosmetik in der Punktetabelle. Was war der Grund das Team zu verlassen?
Das ist nicht ganz richtig, das Team habe ich ja nicht verlassen, ich werde die GT4 Germany nicht mit ihm bestreiten. Einsätze außerhalb der Serie sind noch offen, jedoch möglich.
Die Mission 2019 war auch eine andere. Natürlich war das Podium ein gutes Ergebnis, ebenso wie ich das Auto in sechs Qualifyings viermal in die Top 3 stellen konnte. Hauptaufgabe war die Unterstützung meines Teamkollegen Horst Hadergasser. Er als Amateur fuhr die Serie zum Spaß und er hatte andere Ambitionen als Jan die nun hat. Sicherlich konnten wir hier und da ein Ausrufezeichen setzen, doch bestand bei Horst nie der Anspruch womöglich eine Meisterschaft zu gewinnen.
Das Team75 hat einen super Job gemacht, wer Timo Bernhard kennt, der weiß wie hochprofessionell bei ihm alles läuft. Wie gesagt, ich habe mich von dem Team nicht getrennt, es kam kein gemeinsames ADAC GT4 Germany-Programm zustande, auch da Horst Hadergasser dieses Jahr nicht mehr fährt. Somit ist nicht auszuschließen, dass wir nicht doch gemeinsame Tests machen oder ich im Porsche Sports-Cup einzelne Einsätze habe. Das ist jedoch nicht geklärt, da spielen neben den Finanzen natürlich viele weitere Faktoren eine Rolle, somit ist aber von einem Abschied nichts zu spüren.
Neben der ADAC GT4 Germany hast du sicher schon weitere Plätze in Cockpits. Was steht bei dir noch auf dem Terminkalender?
Wie Eingangs schon erwähnt war und bin ich schon immer breit aufgestellt was die Renneinsätze betrifft. Auch international gibt es konkrete Pläne, die ich allerdings noch nicht kommunizieren darf. Sicher ist, dass ich wieder mindestens 25 Wochenenden unterwegs sein werde in Sprintrennen mit GT4 und GT3 – vielleicht sogar im LMP3 wieder.
Gibt es Pläne in der Nürburgring Langstrecken-Serie und beim legendären 24h-Rennen auf dem Nürburgring zu starten?
In der Tat, und da freue ich mich natürlich besonders darauf. Aller Voraussicht nach werde ich die ersten Läufe der NLS sowie dann das 24h-Rennen im Ferrari 488 GT3 vom Team WTM/Rinaldi Racing fahren. Doch auch das ist zwar in Planung aber noch nicht spruchreif – würde mir aber sehr wünschen, dass es klappt.
Nissan GT-R GT3, Lamborghini Huracan GT3, Ferrari 488 GT3, Ligier JS P3 Nissan, Ginetta G50 GT4 und weitere schnelle Exoten hast du im Renntempo bewegt. Welches Auto hat dir in der Karriere am meisten Spaß gemacht?
Definitiv am meisten beeindruckt hat mich der Ligier LMP3. Dieser Abtrieb und die daraus resultierenden Kurvengeschwindigkeiten sind durchaus spektakulär. Daher wäre es natürlich mega wenn ich dieses Jahr wieder im Cockpit sitzen könnte. Ansonsten mag ich alles was vier Räder hat und schnell ist. Für mich ist der Spaß in den Rennen wichtiger als das Auto selbst. Enge aber faire Kämpfe in Sprintrennen wie der ADAC GT4 Germany mag ich besonders. Auch wenn die Rennwagen sicherlich nicht mit einem LMP-Prototyp zu vergleichen sind, so ist in der GT4 Germany der Wettbewerb ehrlich spitze. Tolle Duelle mit vielen starken Piloten.
Polarisierendes Thema: Wie siehst Du die Zukunft des Motorsports? Wo geht die Reise hin?
Puh, das ist unheimlich schwer einzuschätzen. Darüber unterhalte ich mich natürliche oft und viel mit Kollegen. Meiner Meinung nach wird sich in den nächsten zehn Jahren nur recht langsam etwas ändern. Ich kann mir mit dem momentanen Stand der Technik kein 24h-Rennen mit E-Autos vorstellen, möchte ich mir auch eigentlich nicht ausmalen. Wünschen kann ich mir nur, dass ich den Motorsport wie ich ihn aktuell betreibe noch lange so machen kann. Das Veränderungen kommen müssen und auch kommen werden steht außer Frage, doch was kommt vermag ich nicht zu sagen.
Wo siehst Du Dich in fünf Jahren?
Hendrik: Mit meiner aktuellen Situation so breit aufgestellt zu sein bin ich sehr glücklich. Ich darf für viele verschiedene Teams Meisterschaften fahren und hoffe dies neben meiner Selbständigkeit als Coach auch noch lange Zeit fortzusetzen. Auch wenn mein „buntes“ Einsatzprogramm, mit der Hälfte aller Wochenenden im Jahr unterwegs anstrengend ist, liebe ich es wie es läuft.
Was kannst Du den Neueinsteigern mit auf den Weg geben? Worauf sollten die Rookies ganz besonders achten?
Was ich Jan auf den Weg gebe, gilt im Prinzip für jeden der den Schritt in den aktiven Motorsport wagt: Nehmt euch die Zeit zu Lernen. Sammelt Erfahrung und geht mit Spaß und nie zu verbissen an die Sache. Versteht auch clever zu fahren, um mögliche Punkte mitzunehmen, statt durch unüberlegte Aktionen ein ganzes Rennen zu verlieren. Geht nicht mit der Brechstange vor, durch Konstanz werden die Punkte in einer Meisterschaft gesammelt, da helfen einzelne Siege dafür aber viele Ausfälle weniger als mal zurückzustecken, um auf Rang vier anzukommen, statt heißblütig beim Versuch aufs Podium zu kommen auszuscheiden.
Dieses Denken und diese Cleverness möchte ich an Jan weitergeben. Wenn er das begriffen hat und umsetzt – und das wird er meiner Einschätzung nach auch schnell tun – dann sind wir in dem Fahrer-Auto-Team-Paket absolut fähig ganz vorne ein Wörtchen in der Meisterschaft mitzureden. In Sprintrennen ist die Qualifying-Position sicher auch ausschlaggebend für das Ergebnis, jedoch musst du auch und gerade an der Spitze des Feldes dann kühlen Kopf bewahren können. Je mehr ich darüber rede, um so mehr freue ich mich auf die Saison in dieser Konstellation.
Da bleibt uns zum Abschluss nur noch, dir viel Glück und Erfolg zu wünschen. Hendrik vielen Dank für das Gespräch.
Ich danke euch ebenso für das Interesse und freue mich auf das Jahr 2020 und die Fans draußen an den Rennstrecken dieser Welt.
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Gutes Interview. Gut geschrieben.