Seit sie denken kann, ist Evelyn Matthäus begeisterter Motorsportfan. Bereits in frühen Jahren besuchte die 26-jährige regelmäßig zusammen mit ihrem Vater Autorennen an der Nordschleife. Das 24er war dabei jedes Mal das Jahreshighlight. Doch Evelyn wollte mehr.
Daher suchte die Krefelderin den Kontakt zu Bernd Plauschinat – Chief Marshall und Abschnittsleiter bei der Streckensicherung am Nürburgring im Rahmen der VLN – und hatte somit am vergangenen Samstag ihren ersten Tag als Sportwart an der Nordschleife. Evelyn schilderte uns ihre Erlebnisse und Eindrücke.
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Bereits um 06:15 Uhr begann der Tag für Evelyn. Nein eigentlich schon viel früher, wegen der Anreise an den Nürburgring und dem kurzen Abstimmen, wer wann und wo in Erscheinung tritt. Doch um 06:15 Uhr begann der offizielle Teil. Man stellte sich kurz vor. Zudem bekam jeder seinen Einsatz erklärt und wo er welche Aufgaben zu erfüllen hat. Bernd Plauschinat legt dabei großen Wert auf eine familiäre Stimmung. Daher findet er auch für jeden Neuankömmling Zeit um ihn/sie kurz vorzustellen und persönlich einzuweisen. Da Plauschinat das Ganze nicht erst seit gestern macht, kann er hier auf einen unbeschreiblich großen Erfahrungsschatz zurückgreifen und kann die Beteiligten schnell einschätzen.
Am Hauptposten angekommen bekam Evelyn sogleich alle Positionen erklärt und die Technik vorgestellt. In einem kurzen Training erklärt Plauschinat die Flaggen und Signale, sowie den Einsatz der Technik. Ganz wichtig: Sämtliche Gerätschaft wird vor dem Rennen auf seine Funktionalität hin geprüft. Daher gehört es auch dazu, dass Telefone und Funkgeräte zur Zentrale getestet werden. Und erst wenn die Bestätigung selbiger da ist, dürfen sie auch eingesetzt werden.
Vom Hauptposten weg zeigt Bernd in seiner ruhigen, besonnenen Art die einzelnen dazugehörigen Posten. Am Posten 200 – Bereich Antoniusbuche/ Bilstein-Brücke – erlebte Evelyn gleich noch eine Überraschung. Denn hier überzeugte sich gerade Peter Posavac – Eigentümer des legendären BMW Z4 GT3 und Mitinitiator der #DankeMarshall-Aktion. Der überraschte zu dem Zeitpunkt gerade Rita Hoyer, die eine Taxifahrt im Z4 bei selbiger Aktion gewann. Zudem begutachtete Posavac hier die Arbeit der Marshalls. Schließlich sollten auch die Rennfahrer hin und wieder mal an den Posten vorbeischauen und Eindrücke von der anderen Seite der Leitplanke sammeln. Während Posavac also zur Einführungsrunde zusammen mit Rita das Feld auf die Grid-Formation vorbereiteten, durfte Evelyn die weiße Flagge schwenken.
„Die weiße Flagge wird zur Einführungsrunde geschwenkt, damit die Fahrer noch einmal sehen, wo sich ein Posten befindet.“, erklärte Olli Martini im Livestream den Zuschauern während selbiger Einführungsrunde.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass nicht jeder Fahrer einfach so an die Streckenposten darf, wie er gerade lustig ist. Hier sind, allein aus versicherungstechnischen Gründen und wegen der Enthaftung vorher Genehmigungen bei Andreas Mühlenbernd, Leiter der Streckensicherung, einzuholen.
Evelyn ist beeindruckt. „Auch wenn ich jahrelang regelmäßig am Ring zu Besuch war, ist mir vieles neu. Im TV oder live vor Ort bekommt man ja gar nicht mit, warum welche Flagge und wann welcher Apparat in Bewegung kommt. Ich musste erst mal alles neu lernen.“ Die Krefelderin setzt fort: “So eine Flagge ist ja auch nicht einfach so geschwenkt. Dank Bernd und Rita habe ich aber schnell die richtige Technik gelernt und durfte zur Einführungsrunde gleich die weiße Flagge übernehmen. Der Wind macht es einem echt nicht einfach, wenn man das noch nie gemacht hat.“
Zurück am Hauptposten gab es für Evelyn eine neue Aufgabe: Die blaue Flagge. Gar nicht so einfach zu entscheiden, wann die raus muss. „Dazu muss man frühzeitig die Startnummern der Autos erkennen. Das ist bei dem Tempo hier gar nicht so einfach.“ Immerhin fliegen die Autos hier mit Höchstgeschwindigkeit vorbei, bevor sie an der Hohenrain-Schikane abbremsen müssen. Die blaue, ist eine der wenigen Flaggen, die nach Bauchgefühl geschwenkt wird. „Hier sagt dir keiner per Funk durch, wann die geschwenkt werden muss. Zusammen mit Sarah (Sportwartin am Hauptposten), die mir jedes Mal erklärt hat, wann sie schwenkt und woran sie das erkennt, haben wir hier ordentlich geübt. Aber gerade, wenn die Autos im Pulk vorbeikommen, ist das echt schwer den Überblick zu behalten.“ Da man als „Lehrling“ im Renngeschehen keine Flaggen schwenken darf, schaut Evelyn hier nur zu und versucht, jede Entscheidung von Sarah zu verstehen und einzuprägen.
Zum Schluss lernt Evelyn noch den Posten 207 kennen. Direkt an der Einfahrt zum Grand-Prix-Kurs kann es immer wieder zu brenzlichen Situationen kommen. Auch Evelyn erlebt noch mal einen Schreckmoment. „Da kam ein Fahrzeug in langsamer Fahrt die Döttinger Höhe entlang und kurz vor dem Streckenposten hinter uns zum Stehen. Hier war Code 60 notwendig und es wird noch einmal turbulent. Schließlich kamen hinten immer wieder schnellere Teilnehmer angeflogen.“ Die Krefelderin ist sichtlich beeindruckt von der Verantwortung und der schnellen Entscheidungsfindung, die ein Sportwart mitbringen muss. „Auch wenn man nur zuschaut und selbst noch keine Flaggen schwenken darf, ist ein Tag an der Nordschleife ganz schön fordernd. Aber ich freue mich schon aufs nächste Mal.“ schließt Evelyn ab.
Bernd Plauschinat weiß den Einsatz zu schätzen. „In diesem Jahr haben sich bereits einige an der Streckensicherung interessierte Personen gemeldet. Ich führe dann immer erstmal ein längeres Telefonat mit den Leuten, vor allem um ihnen klar zu machen, dass ein Tag bei der VLN immer ein langer Tag ist und man damit kein Geld verdienen wird. Das schreckt auch viele schon mal ab.
Ist diese erste Hürde aber erst mal überwunden, kommt der Ernstfall. Wie im Fall von Evelyn. Man ist den ganzen Tag als Lehrling dabei, aber immer an der Seite eines offiziellen Sportwartes. Dabei dürfen dann schon auch mal Flaggen geschwenkt werden. Jedoch immer unter ständiger Kontrolle eines Erfahrenen.
Wer das ein paar Mal gemacht hat, darf dann auch irgendwann als zweiter Sportwart am Posten die Arbeit machen, wobei der verantwortliche Sportwart ein Erfahrener sein muss, der auch noch Spaß am Erklären hat.
Evelyn hat sich gut gemacht, hat gut zugehört und auch nachgefragt und Interesse gezeigt. Sie hatte Spaß, nicht nur an der Arbeit, sondern auch mit ihren – vielleicht bald – neuen Kollegen. Und das ohne Aufwandsentschädigung, denn „Lehrlinge“ bekommen noch keinen Cent.“
Nach dem Rennen treffen sich die Marshalls noch einmal am Hauptposten und lassen den Tag und die Eindrücke noch einmal Revue passieren. Evelyn wird beim nächsten VLN-Lauf wieder vor Ort sein und wird wissbegierig weiterlernen und alle möglichen Erfahrungen zu sammeln. Und irgendwann wird dann auch die Krefelderin als zweiter Sportwart an einem Posten an der Nordschleife stehen und für Sicherheit und Ordnung im Rennen sorgen. Wir wünschen ihr viel Glück und Erfolg.
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