Wenige Wochen trennen die Deutschen von der Bundestagswahl 2021. Nach 16 Jahren CDU-Regierung unter Angela Merkel wird das Wahlergebnis mit Spannung erwartet und war selten so schwer vorherzusagen wie in diesem Jahr. Dominantes Thema ist sicherlich die weltweite Corona-Pandemie und die Aufarbeitung, wie damit in der Bundesrepublik umgegangen wurde. Doch noch wichtiger für die Zukunft aller ist die Bewältigung der Klimakrise und wie der immer schneller voranschreitende Klimawandel mit der globalen Erderwärmung zu stoppen ist. Ein zentraler Streitpunkt sind die Verbrenner-Motoren, welche eine Großzahl der Hersteller in absehbarer Zeit nicht mehr im Portfolio haben werden.

Seit den 1980er-Jahren stehen die Grünen für Umweltschutz ein. Zuerst als kleine Randpartei in Batikkleidung und Turnschuhen, inzwischen als etablierte Fraktion mit Regierungsverantwortung in vielen Bundesländern. Gegner der Partei nennen diese auch gerne die „Verbotspartei“. Doch, stimmt das? Daniel Köbler sitzt im Rheinland-Pfälzischen Landtag im Sportgremium, war von 2011 bis 2016 Fraktionsvorsitzender und ist Stellvertretender Vorsitzender des Ausschuss für Soziales und Arbeit. LSR-Freun.de unterhielt sich mit ihm über die Perspektiven des Motorsports unter einer Bundesregierung der Grünen und wie ein gemeinsamer Weg für mehr Nachhaltigkeit möglich ist.
LSR: Herr Köbler, oder wie es bei den Grünen üblich ist – Daniel, wir freuen uns, dass Sie uns einige Fragen beantworten möchten. Zuerst interessiert uns, wie Sie persönlich zum Motorsport stehen.
Daniel Köbler: Schon seit meiner Kindheit bin ich absolut sportbegeistert. Selbst habe ich Fußball und Tennis im Verein gespielt, aber das Interesse war immer für viele Sportarten da. So habe ich z.B. auch wie Millionen andere junge Leute damals begeistert die Erfolge von „Schumi“ in der Formel 1 verfolgt.
Eine Frage, die viele unserer Leser*innen brennend interessiert: Werden Die Grünen den Motorsport, so wie wir ihn bisher kannten, verbieten?
Nein. Viel mehr betrachten wir den Motorsport als Chance, um beispielsweise neue klimaschonende Technologien zu erproben und den Zuschauenden zu demonstrieren.
Wie hat sich die Partei zum Motorsport positioniert, oder gehört dieser eher allgemein zum dem Thema Verkehr im Programm?
Motorsport verordnen wir ganz klar bei Sport. Sport hat eine immens wichtige gesellschaftliche Funktion, daher wollen wir ihn in der ganzen Breite stärken. Da gibt es bei uns im Programm weder eine Privilegierung noch Diskriminierung einzelner Sportarten.
Und welchen Stellenwert genießt der Motorsport, ihrer Meinung nach, in der Klimabilanz unseres Landes?
Hier gibt es natürlich verschiedene Aspekte. Die tatsächlichen Rennevents dürften zur Klimabilanz nur einen sehr geringen Teil beitragen. Der größte Teil der Emissionen fällt vermutlich bei der Durchführung und Organisation an. Also bei der An- und Abreise der Teams und der Zuschauenden, dem An- und Abtransport der Fahrzeuge und so weiter. Das gilt aber auch für andere Sportgroßveranstaltungen. Hier wollen wir Wege zur Klimaneutralität fördern. Und natürlich hat der Motorsport auch eine besondere Vorbildfunktion für klimaschonende Mobilität.

Sebastian Vettel polarisierte vor ein paar Tagen mit dem offenen Bekenntnis, die Grünen zu wählen. Wir sind der Auffassung, dass der Formel 1-Profi verstanden hat, dass Rennsport und Umweltschutz sich nicht ausschließen, oder?
Natürlich hat mich Vettels Statement gefreut! Er bricht damit tradierte Stereotype auf. Es ist ein alter und leider auch sehr verbreiteter Irrglaube, dass Umweltschutz irgendetwas oder irgendwen ausschließen würde. Auch Wirtschaft oder soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz schließen sich nicht aus. Wir GRÜNE sind nicht dafür, Spaß zu verbieten. Wir möchten viel mehr, die Grundlage dafür legen, dass auch zukünftige Generationen noch Spaß am Leben haben können.
Zudem wird Herrn Vettel nun Heuchelei unterstellt, da er mit dem gesamten Formel-1-Tross jedes Jahr einmal um die Welt reist. Wie passt sowas, ihrer Meinung nach, zusammen?
Das sind doch Ablenkungsdiskussionen. Es ist immer leichter, eine Person für irgendetwas anderes zu kritisieren als sich inhaltlich mit dem auseinanderzusetzen, was die Person gesagt hat.
Was kann denn ein Motorsportzirkus, wie ihn die Formel1 nun mal darstellt, in Zukunft besser machen? Die Reisen rund um den Globus, mit Sack und Pack, sind ja sicherlich nicht förderlich, für die allgemeine Klimabilanz?
Genau hier setzt die „Kritik“ an Herrn Vettel an. Der Renntross verursacht Emissionen. Sie sind Teil des Problems. Sebastian Vettel tut hier genau das, was wir uns von kritischen Bürgern erhoffen – dass sie das eigene Verhalten hinterfragen. Heißt das, dass man Motorsport verbieten sollte? Natürlich nicht. Es bedeutet, dass man Motorsport reflektiert durchführen sollte. Möglichkeiten, die Klimabilanz zu verbessern, gibt es ja viele. Von emissionsarmer An- und Abreise über Kompensation bis hin zu wirklich nachhaltigen Rennen.

Über Jahrzehnte – und auch heute noch – war und ist der Motorsport nicht nur zur Unterhaltung der Fans oder als Wirtschaftszweig interessant, denn es wurden hier zahllose Innovationen entwickelt und getestet, die dem normalen Kraftfahrzeug zugutekamen. Der Elektroantrieb und die Batteriesysteme für E-Autos wurden in der Formel-E auf ein höheres Level gebracht und die Rennserie Extreme E zeigt uns aktuell, wie nachhaltiger Rennsport aussehen kann. Wie sieht hier, ihrer Meinung nach, die Zukunft aus?
Ich denke, die Formel 1 wie wir sie kennen, wird es auch in Zukunft noch geben. Es gibt jetzt erste Versuche, den konventionellen Treibstoffverbrauch zu reduzieren, also alternative Treibstoffe auf Kohlenwasserstoffbasis zu testen. Grundsätzlich es ja möglich aus Wasserstoff und CO2 Benzin herzustellen. Das ist noch sehr teuer und aufwendig. Der Rennsport ist vermutlich einer der wenigen Anwendungsbereiche, in denen der Einsatz dieser sogenannten eFuels tatsächlich sinnvoll ist.
Die E-Autos für die Straße werden aufgrund der aufwändigen Produktion und der Gewinnung von seltenen Rohstoffen häufig kritisiert. Sehen Sie weitere zukunftsfähige Antriebskonzepte, die nicht auf Strom basieren?

Es gibt sicherlich Bereiche, in denen andere Energieträger a für Antriebskonzepte in Frage kommen, wie z.B. Wasserstoff. Die Masse wird es aber nicht sein. Die Herstellung von Wasserstoff und eFuels ist sehr energieaufwendig. Diese Prozesse werden zwar noch verbessert, können aber niemals so effizient sein, wie den Strom direkt zu nutzen.
Und wie glaubt ihre Partei, die Erforschung weiterer Antriebskonzepte für den Individualverkehr weiter anzufachen?
Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir raus aus dem Verbrennungsmotor. Die alternativen Antriebstechnologien sind da, daher bin ich dafür diese massiv zu fördern. Wir müssen also nicht warten, dass die Forschung weitere Antriebskonzepte hervorbringt, sondern die bestehenden zum Durchbruch bringen. Wir brauchen eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, bessere Batterien, die im Idealfall ohne Lithium und Kobalt auskommen und vor allem verlässliche politische Ziele. Dafür stehen wir GRÜNE.
Wie wollen Sie den „Verweigerern“ der E-Mobilität diese schmackhaft machen?
Es gibt Menschen, die stehen der Elektromobilität kritisch gegenüber und ist natürlich legitim. E-Autos haben noch Nachteile wie zum Beispiel die Reichweite. Das ist aber ein Problem, dass sich von selbst lösen wird. Je mehr Menschen im Alltag elektrisch fahren, desto offensichtlicher wird werden, dass diese Reichweitenangst unbegründet ist. Hier sollte unser Ansatz deshalb sein, die Erforschung von besseren Akkus voran zu bringen und für eine bessere Ladeinfrastruktur zu sorgen, um für eine bessere Alltagstauglichkeit zu sorgen.

Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir den Nürburgring lieben. Die 1927 erbaute Test- und Rennstrecke in der Eifel machte in Rheinland-Pfalz vor einiger Zeit lange Schlagzeilen. Aktuell scheint die Lage dort in deutlich ruhigerem Fahrwasser zu sein. Die Nordschleife führt jedoch durch ein Naturschutzgebiet und es gibt zahlreiche Auflagen, bzgl. Lärmemissionen. Die jährlichen Großveranstaltungen in der Region – das 24h-Rennen, Rock am Ring, neun NLS-Läufe oder die regelmäßigen Touristenfahrten – sorgen nicht nur wirtschaftliche Stabilität in der Region, sondern auch für ein entsprechendes Müllaufkommen und damit für Umweltverschmutzung. Die Fans sorgen sich, dass es – sollten die Grünen regieren – in der Region bald mit Motorsport zu Ende sei. Wie nehmen Sie diesen Menschen ihre Sorgen?
Wir GRÜNE regieren seit 10 Jahren in Rheinland-Pfalz. Wir waren maßgeblich daran beteiligt den Nürburgring zu retten. Dafür haben wir eigens ein Gesetz im Landtag verabschiedet. Wichtig ist uns aber schon, dass die Veranstaltungen dort mehr den Weg der Nachhaltigkeit gehen würden.

Das Rennteam Four Motors, rund um Smudo, den Frontmann der Fantastischen Vier, zeigt seit langer Zeit, dass es auch im Breitensport möglich ist, nachhaltig Motorsport zu betreiben. Dank dem Einsatz von Recyclingölen über Biosprit bis hin zu Karosserieteilen aus Verbundstoffen auf pflanzlicher Basis ist der CO2 Abdruck des Porsches deutlich geringer. Abriebarme Bremsbeläge reduzieren den Feinstaub und selbst die Räder des Boliden werden inzwischen klimaneutral hergestellt. Wären diese recht schnell realisierbaren Änderungen für Neuwagen nicht auch ein Anreiz für die Automobilindustrie?
Ziel sollte es immer sein, möglich viele Rohstoffe wiederzuverwenden und so den Müllberg möglichst klein zu halten. Grundsätzlich ist der Ansatz von Four Motors lobenswert. Man darf aber nicht vergessen, dass alternative Kraftstoffe wie Biosprit immer in direkter Konkurrenz zu anderen Dingen stehen, die auf Feldern wachsen können.
Und wie kann die Gesetzgebung das, ihrer Meinung nach, befeuern bzw. unterstützen? Sehen Sie hier überhaupt Handlungsbedarf seitens der Politik?
Wir sollten davon Abstand nehmen, den Verbrennungsmotor im Alltag künstlich am Leben zu halten. Opel will ab 2028 in Rheinland-Pfalz nur noch E-Autos herstellen. Daimler ebenfalls zum Ende des Jahrzehnts. Es stimmt zwar, dass es in der Bevölkerung aktuell keine Mehrheit für das Ende des Verbrennungsmotors gibt, aber die Automobilindustrie hat das faktisch schon beschlossen. Wir sollten jetzt eher versuchen, diese notwendige Transformation zu begleiten und sozial zu gestalten.
Was müsste Ihrer Meinung nach von Seiten der Motorsportler kommen, um die Sportart bzw. diesen Wirtschaftszweig mit in die Zukunft zu nehmen?

Motorsport muss und kann genau wie der Rest der Welt nachhaltig werden. Ich freue mich wirklich sehr, dass Sebastian Vettel, der das erkannt hat, auch bereit ist, seine Meinung öffentlich zu äußern. Der gesamte Motorsport hat eine enorme Reichweite und Vorbildfunktion. Wenn hier Nachhaltigkeit und Klimaschutz gelingen kann, dann geht es im Alltag auch. Wenn der Motorsport kein „Relikt aus dem fossilen Zeitalter“ werden will, braucht es mehr Initiativen wie die von Vettel oder von Smudo mit seinem Team.
Wir bedanken uns herzlich bei Daniel Köbler für das Gespräch.
Das Interview führten LSR-Freun.de Gründer und Inhaber Michael Brückner und Redaktionsleiter Lutz Rodrigues
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Es wird einem schlecht, wenn nun selbst in einem Medium, das Freunden von Langstreckenrennen gewidmet ist, grüne Propaganda verbreitet wird! Was hat das hier zu suchen? Wie vereinbart jemand wie Herr Rodrigues do Nascimento, dessen persönliches Facebook-Profil vor grünem Populismus strotzt, dies überhaupt mit (s)einem Interesse für Motorsport?
Und welche Relevanz hat es, was ein Bundestagsabgeordneter der Grünen (der dem Foto nach zu erteilen vermutlich zum Zeitpunkt des Interviews scheinbar eh stoned war) zu diesem Thema zu sagen hat? Wieso räumt man diesem Quatsch hier ein Forum ein?
Nur, weil Herr Vettel mit seinem Statement ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit auf seine social media-freie Person lenken wollte, da es mit den sportlichen Erfolgen ja nicht mehr so klappt, ist dies wohl kein Grund, mit einem solchen Interview an dieser Stelle grüne Propaganda zu verbreiten.
Fragen über Fragen. Das etwas unsortierte Heraussprudeln derselben sei durch meine absolute Fassungslosigkeit entschuldigt.
Danke Andreas, für Deinen Kommentar. Hintergrund des Interviews ist aber nicht „grüne Propaganda“ zu betreiben, sondern die Klärung der Frage, wie die Grünen zu Motorsport stehen. Denn vorgeworfen wird der Partei ja zu allererst – vor allem von den Motorsport-Fans – den Motorsport verbieten zu wollen. Und das hat auch nicht mit Herrn Vettels Aussage bzgl. seines Standpunkts zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu tun.
Vielleicht liest Du Dir das Interview einfach noch mal in einer ruhigen Minute durch. Die weitere Bewertung Deines Kommentars ersparen wir Dir.